2. bis 4. September 2023 MIDORA - Uhren- und Schmuckmesse

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18.07.2023 MIDORA Leipzig

Nachwuchs- und Fachkräftemangel: Kann sich das Handwerk noch retten?

Es gibt wohl kaum ein Thema, das dem Handwerk mehr Kopfzerbrechen bereitet: Die Auswirkungen des Nachwuchs- und Fachkräftemangels - jetzt, aber vor allem auch in den kommenden Jahren. Wie ist die derzeitige Situation in der Branche? Welche Chancen gibt es für Handwerksunternehmen, den Negativtrend bestenfalls umzukehren? Am Samstag, den 3. September 2023, ist der alarmierende Nachwuchs- und Fachkräftemangel Diskussionsthema auf dem Podium der MIDORA.

Der erste Blick auf die Zahlen verspricht Gutes: Die Holzspielzeugmacher- und Drechslerschule in Seiffen, die einzige ihrer Art in ganz Deutschland, vermeldet im vergangenen Schuljahr einen Rekord. Insgesamt starteten 26 junge Leute ihre Ausbildung. Nur zwei Azubis haben im ersten Lehrjahr aufgehört. „Das ist eine sehr gute Quote“, sagt Frederic Günther, Geschäftsführer des Verbandes Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller. Der Verband kümmert sich als Träger der Verbundausbildung um den praktischen Teil. „Auch im kommenden Lehrjahr haben wir wieder eine volle Klasse. Vor fünf Jahren hatten wir noch Schwierigkeiten, die Schule überhaupt zu halten“, sagt Günther. Gibt es also doch kein Nachwuchsproblem?

Entweder Nachfolge oder Betriebsschließung

Der aktuelle Positivtrend allein kann die Branche nicht retten: „Es gibt eine extreme Lücke an Fachkräften mit Führungsbereitschaft“, sagt Frederic Günther. Viele 50- bis 60-Jährige Unternehmensinhaber seien bald nicht mehr da. Altersbedingte Betriebsschließung kann in den nächsten Jahren bis zu 50 Prozent der Branche betreffen. Für mindestens 70 Prozent stehe die Frage der Nachfolge aktuell im Raum. „Die Firmeninhaber sind jetzt in einem Alter, wo das geklärt werden muss“, so Günther. Doch selbst wenn die frischgebackenen Holzspielzeugmacher direkt nach Ausbildungsende als Unternehmensnachfolger durchstarten würden: In der Branche sind etwa 2000 Leute beschäftigt. Wenn jährlich 12 Azubis hinzukommen – mit Absprüngen müsse immer gerechnet werden – dann sei selbst das nicht ausreichend, um die Lücke zu schließen.

Uhrmacherhandwerk: Kaum Ausbildungsbetriebe, kaum Azubi-Anwärter

Im Uhrmacherhandwerk scheint die Lage noch dramatischer: „Hier fehlen deutlich spürbar auch die Bewerber um einen Ausbildungsplatz“, sagt Albert Fischer. Der Präsident des Zentralverbandes für Uhren, Schmuck und Zeitmesstechnik resümiert: „Die Situation ist schon jetzt mehr als besorgniserregend, doch wenn wir es nicht bald schaffen, das Nachwuchsproblem in den Griff zu bekommen, wird der Fachkräftemangel noch katastrophale Ausmaße annehmen - mit weitreichenden wirtschaftlichen Konsequenzen für die gesamte Branche.“

Gibt es noch Chancen für das Handwerk?

Laut Frederic Günther hat sich bereits ein Umdenken in der Branche eingestellt: „Die Betriebe zeigen heute mehr Wertschätzung gegenüber den Interessen und Stärken der jungen Menschen.“ Maßnahmen wie die Einstellung von Quereinsteigern werden bereits umgesetzt. „Das kann aber nur eine begrenzte Lösung sein, da die Branche auf hohe Qualität und spezifisches Fachwissen setzt“, sagt Günther. Auch eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, die die Vielfalt und Einzigartigkeit der Branche hervorhebt, sei extrem wichtig. Der Verband Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller nutzt vermehrt soziale Medien wie Instagram. Im Rahmen des Azubimonats werden Auszubildende auf der Plattform selbst zu Botschaftern und präsentieren ihre Gesellenstücke. Zudem wird ein VR-Video gedreht, um den Beruf des Holzspielzeugmachers virtuell erlebbar zu machen.

Unterstützung von Politik und Industrie gefragt

Dennoch dürfe die Problemlösung nicht allein an Verbänden und Unternehmen hängen bleiben. Gerade kleineren Betrieben fehlten Zeit und Ressourcen, um Azubis anzulernen oder eine ausgefallene Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Albert Fischer resümiert: „Um diese Mammutaufgabe zu stemmen, bedarf es des Schulterschlusses aus Handwerk, Handel und Industrie. Hier darf sich wirklich keiner aus der Verantwortung stehlen, denn nur gemeinsam können wir diese Entwicklung stoppen.“

Podiumsdiskussion „Der Nachwuchs- und Fachkräftemangel im Handwerk“

Sonntag, 3 September 2023, Vortragsforum Halle 5/Stand F05, 13 Uhr

Teilnehmer:

  • Albert Fischer, Präsident Zentralverband für Uhren, Schmuck und Zeitmesstechnik
  • Michael Seubert, Präsident me. Zentralverband der Deutschen Goldschmiede und Silberschmiede e.V.
  • Frederic Günther, Geschäftsführer Verband Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller e.V.
  • Heiko Stefan, Fachleiter Uhrmacherschule Glashütte, Berufliches Schulzentrum „Otti Lilienthal“ Freital-Dippoldiswalde

Quelle: Pixabay
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